Montag, 2. August 2010

Komm, ich erzähl Dir eine Geschichte - in der Beratung


Es war Abend, als ich mit einer Bekannten und Ihrem Freund in einem Cafe saß. Das ist jetzt schon einige Jahre her. Wir unterhielten uns über dieses und jenes. Ich weiß nicht mehr genau wie es dazu kam. Ich weiß nur noch, dass ich plötzlich anfing eine Geschichte zu erzählen. Nein, ich erzählte sie nicht einfach so nach, ich lebte sie. Mitten im Cafe. Zu meiner eigenen Überraschung gab ich den Personen eine eigene Stimme. Sprach mal laut, dann mal leise. Machte Gesten, schnitt Grimassen, und selbst meine Blicke setzte ich gezielt ein. Als Erzähler war ich zu der Zeit wirklich nicht geübt. Doch ich setzte unbewusst die Pointe der Geschichte an die richtige Stelle. Ja, ich betonte sie regelrecht richtig. Denn in dem Moment schaute ich meine Bekannte an und sprach den letzten Satz, also die Pointe. Darüber war meine Bekannte so verblüfft, dass sie im Cafe fast schon sehr gut hörbar einen überraschten Laut von sich gab. Ihr Freund gab zwar keinen Laut von sich, aber an seiner Körperhaltung konnte ich sehen, dass er über den Schluss genauso verblüfft war. Ach ja… die Story habe ich aus „Das lustige Taschenbuch“ entnommen… Das lustige Taschenbuch? Ja… Entenedition… Donald Duck… (es befinden sich in manchen Taschenbüchern tatsächlich tiefergehende Geschichten, die man als suchen muss wie nach einer Perle)

Ich fand es immer irgendwie schade, dass in unserer Kultur und Zeit das Erzählen abhanden gekommen ist. Von je her faszinierten mich (gute) Geschichten. Besser, wenn sie gut erzählt worden sind. Später hörte ich immer wieder, dass Geschichten die Eigenschaft haben, dass sie im Gedächtnis haften bleiben. Aus diesem Grund habe ja Jesus auch Geschichten erzählt. Mehr noch, die ganze Bibel besteht aus Erzählungen und nicht, wie wir es sonst eigentlich erwarten dürften, aus Vorschriften und Listen.

Sollte ich sagen, dass ich kurioserweise mich an sehr viele Zeiten erinnere, in denen erzählt wurde? Und auch an sehr viele Geschichten? Eigentlich nicht. Denn kurios ist es eben nicht, dass ich mich noch sehr gut daran erinnern kann, sondern natürlich.

Ich erinnere mich daran, als ich in meiner Schulzeit mit zwei Freunden gemeinsam Geschichten ausdachte und sie erzählte. Jeder „musste“ sich eine Geschichte ausdenken und sie erzählen. Natürlich versuchte jeder die andere Geschichte an Spannung und Fantasie zu toppen. Doch bei all dem gab es nie Gewinner oder Verlierer. Zumindest nicht als Erzähler. Gewinner gab es immer, denn wir hatten heimliche Zuhörer – doch das konnte man ja irgendwie nie wirklich zugeben.

Das Erzählen behielt ich bei, als ich anfing mit Jugendlichen und Erwachsenen zu arbeiten. Ich erzählte sie nicht einfach nach, ich lebte diese Geschichten. Kurioserweise entdeckte ich bei mir, dass das Geschichteerzählen bei Beratungen unterzugehen droht. Warum eigentlich? Sind es doch gerade Geschichten, die sich besser einprägen. Und auch verstehen lassen, was eigentlich los ist bzw. los sein könnte. In Seminaren erzähle ich gerne Geschichten. Das führt stets zu Aha-Momenten oder zu verblüfftem Gelächter. Und was immer wieder für mich überraschend ist: Selbst die wildesten Horden von Jugendlichen bekomme ich zahm, wenn ich Geschichten erzähle. Gleichzeitig bekomme ich gerade von den wildesten Kerlen Rückmeldung, dass diese oder jene Geschichte „wirklich gut war“ (O-Ton).

Und oftmals wurden Geschichten Freunden und Bekannten weitererzählt. Oder ich wurde gefragt wo ich meine Quellen hätte. Auch später noch, als einige Zeit vergangen war, erinnerte man sich an die Geschichten. Ja, sogar nach ein paar Jahren noch.


(Foto: Flickr - Mike Grenville)

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