Montag, 26. Januar 2009

Wer blickt da noch durch? - Coaching, Beratung, Seelsorge, Therapie

Ein Fachartikel
Von Dennis Riehle


Nicht selten klingelt bei mir das Telefon Sturm, wenn gerade die Wartezeiten der ortsansässigen Psychotherapeuten exorbitant hoch sind. Oftmals verzweifelt rufen Menschen an, die eine Überweisung zu einem Therapeuten bekommen haben, sich aber mit monatelangem Warten abfinden müssen. In der Hoffnung, ihren Schein bei mir einlösen zu können, gilt die erste Frage jedoch trotzdem der Unsicherheit: "Wird Ihre Beratung denn auch von der Kasse bezahlt?".

Dies ist zwar ein Unterschied, mit Sicherheit aber nicht der wesentlichste, wenn sich Psychotherapie und Psychologische Beratung gegenüberstehen. Nur sehr selten kann ich bei Laien feststellen, dass ihnen auch die inhaltichen Differenzen der verschiedenen Methoden zur Lebensgestaltung bekannt sind. Nicht verwunderlich: Denn gerade das Gebiet der Beratung ist nicht nur eine eher moderne Erscheinung, sondern kann sich auch der Bekanntheit unter der breiten Bevölkerung nicht sicher sein.

Psychotherapien, die bis heute im ländlichen Raum stigmatisiert und für Vorurteile genutzt werden, lassen auch dem Feld der Psychologischen Beratung nicht immer einen positiven Beigeschmack übrig. Die Beratung bedarf keiner dringenden klinischen Indikation, um in Anspruch genommen zu werden. Bereits im Feld des Klientels zeigt sich, dass Therapie und Beratung unterschiedlich arbeiten. Werden Psychotherapien in der Regel bei psychischen Krankheitsbildern zurate gezogen, steht die Beratung prinzipiell jedem offen.

Klienten, die sich in eine psychologische Beratung begeben, befinden sich häufig in Lebenskrisen: Sie suchen nach ihrer eigenen Persönlichkeit, fühlen sich ausgepowert und überlastet oder haben nach einschneidenden Erlebnissen den Blick auf das Wesentliche verloren. Während die Psychotherapie auf zwei wesentliche Vorgehensweisen setzt (tiefenpsychologisch-analytisch oder verhaltenstherapeutisch), zählt die Beratung oft zu den Heilweisen, da sie sich neuartiger Formen der Reflexion bedient - wie beispielsweise des NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) oder des SKT (Soziales Kompetenztraining).

Patienten berichten, dass sie in der Therapie eher den Eindruck gewinnen, auf ein festgesetztes Ziel hinzuarbeiten und dabei von den Therapeuten getragen werden, wogegen sich Klienten in einer Beratung das bloße Ziel der Rückkehr auf sichere Lebenswege durch Richtungsweisungen des Berater selbst erarbeiten.

Nicht selten warten Berater zudem für ihre Klienten mit besonderen Arbeitsweisen auf - angefangen von gestalterischer oder musischer Pointierung bis hin zu Behandlungsformen der Hypnose, der Kognition und Exposition oder der Heilpraktik.

Berater greifen häufig auf ein sehr viel größeres Repertoire zurück und stehen daher allerdings auch in der Kritik: unseriös seien sie und von der Scharlatanerie nur schlecht abzugrenzen, wird spitz formuliert. Die Psychologische Beratung stellt keinesfalls eine Konkurrenz zur Psychotherapie dar, räumt aber mit dem Klischee aus, dass Lebensprobleme nur durch Selbsthilfe bewältigbar wären.

Hingegen stellt das in den USA bereits zur "Weltanschauung" heraufgehobene Coaching nochmals andere Schwerpunkte voran. Böse Sprichwörter sagen, jeder zweite Amerikaner hätte heute bereits seinen eigenen Coach. Und tatsächlich scheint dieser Gedanke nicht allzu abwegig, betrachtet man den Sinn und Zweck dieser besonderen Form von Unterstützung. Coaching, das heute oftmals den Zusatz "Personal" erhält, deutet darauf hin, dass ein Trainer dabei hilft, den persönlichen Rhythmus und Alltagsablauf unter die Lupe zu nehmen und mit den richtigen Tricks und Kniffen nicht nur dem gestressten Manager, sondern auch der alleinerziehenden Mutter wieder Handwerkszeug zur Seite stellt, mit dem Hürden abgebaut und unüberwindbare Hindernisse überwunden werden können. Der Coach als Spiegelbild des Selbst und Katalysator zur Entschleunigung unangenehmer Dynamik.

Und nicht umsonst erhält heute die Seelsorge oder christliche (Lebens-)Beratung immer mehr einen besonderen Stellenwert. Ist doch die Sehnsucht nach Hilfe auf dem Fundament der christlichen Werte stetig gewachsen und verlangt deshalb nach neuen Angeboten neben der bekannten Seelsorge des Gemeindepfarrers. Nebenamtliche Seelsorger, ausgebildete christliche Therapeuten oder pastorale Mitarbeiter leisten Dienste, die von den Hauptamtlichen der Kirchen nicht mehr umfänglich geleistet werden können. Für viele anmutend geschieht dies meist auf der Basis von Entgelt. Doch erhält man dafür auch ein oft umfassendes Sortiment an Beistand, von der stützenden über die beratende bis hin zur durchführenden Seelsorge. Auf der Grundlage biblischen Zuspruchs lassen sich Lebenssituationen mit ganz anderen Botschaften beleuchten und Klienten erfahren Kraft, die sie von allein nicht aufbringen könnten. Im Gespräch erfahren sie nicht nur Gottes Halt, sondern auch die Ermutigung zum Glauben. Das Festhalten am Strohhalm Jesus Christus hat viele Menschen wieder aus dem Loch der Orientierungslosigkeit klettern lassen.

Ob Beratung, Therapie, Seelsorge oder Coaching: in allen Bereichen steht das Wohl des Menschen und seine Zufriedenheit im Mittelpunkt. Hierfür arbeiten alle Tätigen aus diesem Berufszweig kooperativ und ergänzend zusammen.

(Dennis Riehle ist 1. Vorsitzender der Christlichen Lebensberatung e.V., psychologischer Berater, Berater, nebenamtl. Seelsorger, Laienprediger und Gruppenleiter)

(Foto: Pixelio, Rainer Sturm)